Forderungen

Vorbemerkungen zu unseren Forderungen:

Unsere aktuellen Forderungen sind aus Gesprächsrunden mit verschieden Bildungsinitiativen in Vorbereitung des Bildungsstreiks entstanden. Der Streiktag kann dabei nur eine erste Sichtbarmachung des vielfältigen Unmuts über die derzeitigen Konstellationen der Bildungspolitik sein und dient dazu, sich besser kennenzulernen und zu vernetzen, um langfristig weiter auf Verbesserungen hinzuwirken. Ebenso ist dieser Forderungskatalog nur eine erste Sammlung von Reaktionen auf offensichtliche Missstände. Einige Berufs- und Statusgruppen waren bei der Erstellung stärker vertreten als andere, und so gilt es, sich für die Zeit nach dem Streik noch breiter aufzustellen und mehr Stimmen in diesem Katalog zu vereinen.

Generelles Bildungsideal, übergreifende Forderungen

Unser Bündnis strebt eine basisdemokratische, der allgemeinen sozialen Teilhabe, der individuellen Selbstverwirklichung und dem gesellschaftlichen Fortschritt verpflichtete Bildung an. Das heißt einerseits Bildung als ein Menschenrecht zu begreifen, das allen Menschen unabhängig von Einordnungen nach Klasse, Geschlecht, Herkunft, ethnischer Zugehörigkeit, Religion und Nationalität zusteht. Das heißt andererseits, dass Bildung nicht den materiellen und ideologischen Spielregeln der Wirtschaft untergeordnet sein kann oder ökonomischen Effizienz- und Nutzenerwägungen angepasst werden darf. Im Gegenteil sollten Bildung und Wissenschaft ihren Beitrag dazu leisten, Wege in eine bessere, demokratischere und inklusivere Gesellschaft aufzuzeigen und ein kritisches Verhältnis auch zu den derzeit herrschenden ökonomischen und machtpolitischen Dogmen ermöglichen. Wir wollen den Zustand überwinden, in dem alle Arten von Bildungseinrichtungen angehalten sind, ökonomisch wie politisch passfähige Menschen hervorzubringen, die in bestehenden Verhältnissen nach den herrschenden Spielregeln funktionieren und diese nicht in Frage stellen. Wir wollen als Lernende nicht in dieser Weise deformiert werden, wir wollen als Lehrende junge Menschen nicht derart belügen, und wir wollen als Forschende auch neue Denkansätze entwickeln, die einen Beitrag zu einer neuen Gesellschaft leisten. Vor allem wollen wir alles auf einmal sein: Lehrende, Lernende, Forschende – um voneinander und miteinander zu lernen und neue Ideen zu entwickeln. Kritische Bildung muss dabei Lösungsansätze suchen, um Probleme nicht nur zu benennen, sondern auch zu deren Lösung beizutragen.

Anmerkung: Unser eigentliches Bildungsideal ergibt sich aus den langfristigen und derzeit utopischen Zielvorstellungen, die am Ende genauer ausgeführt sind. Da diese aber auch den Orientierungsrahmen unserer kurz- und mittelfristigen Forderungen bilden, kann mensch gemütlich und mit Spaß und utopischem Übermut den Katalog auch von hinten lesen!

Kurzfristige Forderungen // Ziele:

Mit kurzfristigen Forderungen benennen wir Ziele, die sich im Einzelnen schnell und konkret umsetzen lassen, wenn der Druck in den Bildungseinrichtungen und Betrieben groß genug ist. In der Summe sind sie in Fragen der Finanzierbarkeit und der konkreten Umsetzung nur im Zusammenhang mit der Berücksichtigung der mittelfristigen Forderungen erreichbar. Es ist allerdings anzumerken, dass einige Forderungen – etwa die nach allgemeiner Inklusion – weder kurz-noch langfristig hintergehbar sind und ihr Ausschluss aus dem Forderungskatalog zu einem immanenten Zielkonflikt führen würde.

Bildung braucht Planbarkeit und nachhaltige Finanzierung!

  • Erhöhung der öffentlichen Grundfinanzierung für alle Bildungseinrichtungen, so dass alle Arbeitenden an öffentlichen Bildungseinrichtung auch tatsächlich aus öffentlicher Hand finanziert werden und Tarifverträge nicht durch Outsourcing umgangen werden
  • keine Verdrängungskonkurrenz um Drittmittel an Hochschulen und um Projektgelder bei freien Bildungsträgern: Drittmittel zugunsten von Haushaltsfinanzierung zurückfahren
  • Planungssicherheit für Beschäftigte und Lernende durch ein Ende der Kettenbefristungen im universitären Betrieb und an Bildungseinrichtungen aller Art, Abschaffung des WissZeitVG
  • bessere Entlohnung von Erzieher*innen, Sozialarbeiter*innen, Werk- und Honorarvertragsnehmer*innen
  • staatliche Übernahme von Schulgeldern für Erzieher*innen, Sozialarbeiter*innen und Therapeut*innen
  • Beendigung der Verwendung öffentlicher Mittel für künstlich herbeigeführte Verdrängungskonkurrenz (z.B. ‚Exzellenzinitiative‘) zugunsten einer direkten Finanzierung des Hochschulsystems in seiner Breite

Bildung braucht Unabhängigkeit!

  • Verpflichtende Verankerung der Zivilklausel einführen!
  • Keine finanzielle Abhängigkeit der Forschung von Militär- und Rüstungsausgaben
  • Kein Einfluss von Polizei, Unternehmen, Verfassungsschutz, Bundeswehr an unseren Bildungseinrichtungen und auf die Gestaltung von Unterricht und Lehre
  • Entflechtung von politischer Bildung und wirtschaftsnahen Stiftungen!
  • Bei gleichzeitig fehlendem Lehrpersonal ist es ein unzumutbarer Zustand, dass es Berufsverbote für Menschen gibt, welche in radikal humanistischen Organisationen Mitglied waren

Bildung braucht Zeit!

  • Lehrdeputats- und Arbeitszeitverkürzung für Lehrpersonal bei vollem Lohn- und Personalausgleich
  • Mehr Zeit für individuelle Weiterbildung der Lehrenden und individuelle Förderung der Schüler*innen
  • Reduktion von Prüfungslasten, Entschlackung von Lehrplänen und Studienordnungen, Abschaffung der Regelstudienzeit, um der zunehmenden Verschulung der Universitäten entgegenzuwirken
  • BaFög-Ansprüche dürfen keine harte Grenze für die Studienzeit implizieren!
  • Mehr Zeit für selbstbestimmte und selbstgestaltete Bildung: weniger eng geregelte Lehr- und Studienpläne, mehr Wahlfreiheit (das heißt auch: mehr und vielfältigere Lehrangebote), weniger kleinteilige Prüfungspflichten
  • Kleinere Klassen und Seminargruppen und mehr Lehrpersonal

Bildung braucht Partizipation!

  • Stärkerer Einfluss vorhandener demokratischer Entscheidungsgremien (z.B. Schüler*innenvertretung und akademische Selbstverwaltung) mit tatsächlichen und nicht nur symbolischen Handlungsspielräumen in transparenten Strukturen
  • Beteiligung der Schüler*innen freier Schulen an den lokalen und regionalen Schüler*innenvertretungen
  • Recht auf soziale und politische Betätigung von Schüler*innen an Schulen und während der Schulzeit ohne Genehmigung der Schulleitung mit Verweis auf die Koalitionsfreiheit nach § 9 GG

Bildung braucht Vielfalt und grundlegende Kompetenzen

  • Inklusion muss mit all Ihren Facetten anerkannt werden. Im dreigliedrigen Schulsystem wird durch die Unterteilung in verschiedene Leistungskategorien eine Segregation gefördert, die durch keine nachträglichen Maßnahmen mehr ausgeglichen werden kann.
  • Mehr Geld für freie und optionale Bildungsangebote
  • Alternative Schulkonzepte fördern
  • Stärkere Berücksichtigung der Interessen der Lernenden bei der Ausgestaltung der Lehre
  • Mehr Lernangebote aus Gesellschaftswissenschaften, Erkenntnis- und Wahrnehmungstheorie, Psychologie etc.
  • Mehr Aufklärungsarbeit an Schulen, um ein grundlegendes Verständnis für die Funktionsweisen von Diskriminierungen aller Art zu schaffen
  • Rassismus, Heterosexismus, Klassismus und jede andere Art von Diskriminierung bekämpfen: Dafür müsste die Existenz dieser Mechanismen zunächst anerkannt und ein allgemeiner Konsens darüber erreicht werden, dass jede Diskriminierung Anlass für eine breite schul- oder universitätsöffentliche Diskussion ist.
  • Medienkompetenz und Förderung des Umgangs mit Medien, damit jede*r durch die neuen Medien partizipieren kann bzw. nicht durch ungleiche Zugangsmöglichkeiten an der Teilhabe im gesellschaftlichen Leben benachteiligt ist.
  • Individuelles wie kollektives Arbeitsrecht als Fach in allen Ausbildungen und an Universitäten

Bildung ist ein Gemeingut und muss allen zugänglich sein!

  • Aus öffentlichen Geldern finanzierte Forschung muss der Öffentlichkeit zugänglich sein!
  • Zeitliche Beschränkung der Lizenzen auf Wissensressourcen mit dem Ziel, auch in privatwirtschaftlichen Verlagen veröffentlichte Ergebnisse nach spätestens 5 Jahren der Allgemeinheit zugänglich zu machen.
  • Mehr Geld und geschultes Personal für soziale, psychologische und sonstige Unterstützung an Bildungseinrichtungen
  • Anerkennung aller akademischen und schulischen Qualifikationen und voller Zugang zu Bildungseinrichtungen für Migrant*innen
  • Keine pauschale Ablehnung von Bildungsabschlüssen anderer Länder, Nachweispflicht für Bildungsinstitutionen, dass keine vergleichbare Lernleistung während des Abschlusses erbracht wurden, in jedem konkreten Einzelfall
  • ausreichende kostenfreie und hochwertige Deutschkurse mit geschultem Personal für Migrant*innen
  • Abschiebungsstopp!

Keine Niedriglohnarbeit – nicht in der Bildung und auch sonst nirgendwo!

  • Keine Ausbeutung von Lernenden! – keine Pflicht zu unbezahlten Praktika; Azubi-Vergütung in allen Bereichen
  • Verwandlung von wissenschaftlichen Hilfskraftstellen in Mitarbeiter*innenstellen, Abschaffung der Scheinselbständigkeit in der universitären Lehre
  • Angemessene Honorare für freie Bildungsarbeit
  • Erhöhung der Sätze für Menschen im Freiwilligendiensten, Begrenzung der Maximalarbeitsstunden

Mittelfristige Forderungen // Ziele:

Unsere mittelfristigen Ziele würden das System der Bildung insgesamt verändern und die Grenzen dessen ausloten, was im hier und heute prinzipiell möglich ist. D.H. sie wären durch kluge politische Entscheidungen erreichbar, die nicht allein ökonomischen Imperativen und Interessen folgen, sondern bestehende Spielräume für die Berücksichtigung anderer sozialer Bedürfnisse, Erfordernisse und Interessen nutzen. Diese Ziele sind durchaus als Forderungen zu verstehen, mindestens als die Forderung, von der Notstandsverwaltung zu einer konstruktiven und zukunftsgewandten Debatte über Bildung überzugehen und eigene Ansprüche und Pflichten (die sich z.B. aus der Ratifizierung der UN-Behinderten-Konvention ergeben) endlich ernst zu nehmen.

Da auch unsere kurzfristigen Ziele im Paket betrachtet eher schon mittelfristig sind, ist hier anzumerken, dass natürlich auch unsere kurzfristigen Ziele, sofern sie nicht durch weiterführende ersetzt werden, auch mittelfristig relevant bleiben.

Inklusivere und gerechtere Bildung

  • Hierarchien zwischen Lehrenden und Lernenden abbauen, neue pädagogische Modelle in der Breite ausprobieren (Schluss mit „Modellprojekten“)
  • Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems, längeres gemeinsames Lernen
  • Inklusion funktioniert nicht als Sparmodell zur Reduktion von Kosten für ‚Sonderpädagogik‘! Sie erfordert ausreichende Personalstellen für in der Arbeit mit lernbeeinträchtigten Menschen eigens ausgebildeten Pädagog*innen, aber auch für Sozialarbeiter*innen, Psycholog*innen und Therapeut*innen an allen Schulen!
  • Bundesweit gleichwertige Bildungsabschlüsse, unabhängig von regional und lokal verschiedenen Bildungswegen, die Anerkennung von Bildungsabschlüssen (von Migrant*innen) muss bundesweit gleichwertig ablaufen
  • Selbstorganisation von Frauen-, Migrantinnen-, LGBT-Personen und Gleichstellungsinitiativen an allen Bildungseinrichtungen finanzieren und stärken, statt gewinnorientiertem „Diversity Management“ (das Unterschiede nur dort anerkennt, zulässt und fördert, wo sie Profit für das „Unternehmen“ versprechen) – leben und leben lassen

Mehr Selbstverständigung, individuelle Selbstbestimmung und kooperatives Miteinander

  • Selbstverständigungsdiskurse über gute Bildung und Lehre zwischen allen Lehrenden und Lernenden fördern (statt „Qualitätsmanagement“ nach externen politischen erwünschtheits- und ökonomischen Effizienzkriterien)
  • Inklusion in ihren Voraussetzungen endlich ernst nehmen: Weg vom Prinzip der standardisierten Lernleistung hin zur individuellen Förderung von Stärken, Interessen und Leidenschaften
  • Weg von der „Verschulung“ der Hochschulbildung; hin zu einer Orientierung schulischer und vorschulischer Bildung an humboldtschen Bildungsidealen!
  • Recht auf selbstbestimmte Arbeits-, Lern- und Lebensverhältnisse (z.B. Teilzeit, Sabbat usw.), Bildungsmöglichkeiten auch für ältere Menschen (Zweitstudium, Ausbildung oder Bildungsurlaub)
  • Mehr miteinander lernen, Hierarchien zwischen Lernenden und Lehrenden abbauen: Partizipation der Lernenden bei der Erstellung der Lehrpläne und des Ablaufes von Lehre!
  • Mehr Zeit und Geld für selbstbestimmte und selbstgestaltete Bildung
  • Anerkennung gesellschaftswissenschaftlicher Bildungs- und Studienangebote als gleichrangig zu anderen

Demokratisierung aller Bildungseinrichtungen, konkret:

  • Alle an Bildung beteiligten Personen sollten durch einflussstarke Interessenvertretungen in Gremien vertreten werden oder ihre Interessen wenn möglich selbst vertreten können!
  • Offenere Ausgestaltung tatsächlicher Gestaltungs- und Verhandlungsspielräume (sog. Sachzwänge sind immer auch selbstgeschaffen!)
  • Relevantes und hinreichendes Stimmgewicht der Lernenden und Beschäftigten in allen Bereichen (Schüler*innenräte stärken, Viertelparität an Universitäten)
  • Transparenz der Planungen, Abläufe, Finanzen und Entscheidungswege als Voraussetzung für tatsächliche Mitbestimmung
  • Wissensgrundlagen für differenzierte Meinungsbildung, politische Partizipation und gesellschaftliches Miteinander in den Lehrplänen und allen universitären Studiengängen. Demokratische Partizipation und kooperatives Arbeiten müssen für jeden Menschen zugänglich und erlernbar sein.

Bildung endlich als Investition in die Zukunft begreifen!

  • Bildung gilt in öffentlichen Verwaltungen primär als reiner Kostenfaktor, den es kleinzuhalten gilt, während für sog. „Infrastruktur-Investitionen“ (die sich v.a. an potentiellen Interessen von Unternehmen und Wirtschaftsverbänden orientieren) Geld in ganz anderen Größenordnungen und über weit länger Zeiträume ausgegeben wird. Bildung wäre in diesem Sinne als langfristige Investition in die gesellschaftliche Infrastruktur neu zu bewerten.
  • Forschungsgelder müssen leicht zugänglich sein ihre Vergabe darf nicht an ökonomische und politische Interessen und ‚Moden‘ gekoppelt sein!
  • Schulen/Bildungseinrichtungen müssen so ausfinanziert werden, dass mehr als eine „Notbeschulung“ möglich ist. Zeit für Lehrer*innen, um über den reinen Unterricht hinaus ihre Schulen aktiv mitgestalten zu können, um neues auszuprobieren, um Freizeitangebote anbieten zu können …

Bildung zum frei zugänglichen Gemeingut machen!

  • Allgemeine Zugänglichkeit und Transparenz von Wissensressourcen. OpenSource-Lizenzen sollten für alle Ergebnisse öffentlich finanzierter Forschung und Lehre!
  • Auch Irrtümer und ‚negative‘ Forschungsergebnisse, die die Ziele und Erwartungen der Forschung (und der Geldgeber) nicht erfüllen, müssen publiziert und als eigenwertige wissenschaftliche Leistung anerkannt werden, da nur dies kollektive Lernprozesse ermöglicht!

Langfristige Ziele:

Grundsätzlich verband die Beteiligten bei der Erstellung dieser Forderungen die Einsicht, dass unsere langfristigen Zielvorstellungen guter und unbedingter Bildung für Alle zwar prinzipiell ausgehend vom hier und heute angegangen werden könnten, aber in unversöhnlichem Widerspruch zu den bestehenden Eigentumsverhältnisse, Konkurrenzlogiken und Profit- und Machtinteressen stehen. Der Wunsch nach einer qualitativ hochwertigen, der individuellen Selbstverwirklichung und gesellschaftlichen Zielen gleichermaßen dienenden und für alle Menschen zugänglichen, in keiner Weise diskriminierenden Bildung verweist daher auf einen langfristigen Wandel hin zu einer solidarischen, basisdemokratischen, postkapitalistischen, postnationalen und inklusiven Gesellschaftsordnung. Sie sind keine eigentlichen Forderungen, weil sie in den derzeitigen politisch-ökonomischen Systemparametern an niemanden adressierbar sind. Sie sollen aber eine Orientierung bieten für die Formulierung kurz- und mittelfristiger Forderungen, die einerseits die aktuelle Situation ein bisschen verbessern helfen, andererseits aber immer auch auf Veränderungen hinarbeiten sollen, die in der Richtung dieser großen, derzeit utopischen Ziele liegen, oder ihnen zumindest nicht entgegenstehen.

Bildung kann und soll keine Ware sein, sie muss in ihrem gesellschaftlichen Eigenwert entfaltet werden!

  • Wissensvermittlung kann ökonomische Zwecken nicht untergeordnet werden und nicht nach ökonomischen Effizienz- und Rationalitätskalkülen organisiert werden!
  • Für eine Bildung, die sich nicht an den Anforderungen des Marktes messen muss!
  • Bildung dient nicht primär der Produktion von an die Nachfrage des Marktes angepassten Arbeitskräften und ist keine individuelle Ressource im Konkurrenzkampf um Arbeitsplätze.
  • Ziel von Bildung sind mündige Bürger*innen, die jederzeit zu den Verhältnissen, in denen sie leben und lernen, ein kritische Haltung einnehmen und sich aktiv an der Mitbestimmung über diese Verhältnisse beteiligen können.

Alle weiteren konkreten Ziele ergeben sich aus diesen Grundsätzen.

Bildung muss unbedingt sein! Das betrifft sowohl den Zugang zu Bildung als auch die durch Bildung zu erwerbenden Teilhabemöglichkeiten und Zukunftschancen.

  • Herkunft und soziale Einteilungen nach Klasse, Geschlecht, Nationalität dürfen nicht darüber entscheiden, wer wie mit welcher Bildung in Kontakt kommt!
  • Form und Qualität von Bildung dürfen nicht vom ökonomischen Status abhängen, weder in der Frage, ob Menschen für den Zugang zu Bildungsgütern direkt Geld bezahlen, noch in der Frage des für Bildung vorausgesetzten Lebensunterhalts!
  • Bedingungsloses Grundeinkommen ist auch bedingungsloses Bildungseinkommen
  • Die Abschaffung exklusiver Staatsbürger*innenrechte zugunsten unbedingter Weltbürger*innenrechte ist eine weitere Voraussetzung unbedingter Bildung!

Alle nach ihren Möglichkeiten, Allen nach ihren Bedürfnissen!

  • Bildung muss Selbstverwirklichung ermöglichen und keine Selbstausbeutung!
  • Bildung muss die Unterschiede in den Anlagen, Wünschen, Fähigkeiten und Interessen der Individuen anerkennen und daran ausgerichtet sein.
  • Unbedingte Bildung heißt nicht, alle Menschen über einen Kamm standardisierter Bildungswege zu scheren, oder die Unterschiede zwischen ihnen nach gleichen Leistungskriterien zu sozialen Ungleichheiten der Lebenschancen zu machen!
  • Unbedingte Bildung erfordert, sowohl die Lernziele als auch die Wege dorthin zu individualisieren und die Vielfalt individueller Bildungsstrategien zu fördern.
  • Bildung soll Menschen nicht vorgegebenen gesellschaftlichen Anforderungen anpassen, sondern darauf vertrauen, dass die freie Entfaltung ihrer Fähigkeiten in den meisten Fällen selbst einen gesellschaftlichen Nutzen hat.
  • Indem Bildung Menschen dazu befähigt, Gesellschaft nach ihren Bedürfnissen aktiv zu gestalten, ist sie in einer nicht konkurrenzbasierten Gesellschaft auch Grundlagen dafür, dass verbleibende Zielkonflikte zwischen den Einzelinteressen konstruktiv und kooperativ bearbeitet werden können.

Bildung und Forschung müssen transparent, basisdemokratisch, kooperativ und Hierarchiefrei sein!

  • Lernen und Forschen sind kooperative Prozesse. Auch die „Lehrenden“ müssen von den „Lernenden“ lernen. Temporäre Wissenshierarchien sind dabei per se auf ihre Auflösung hin angelegt. Soziale Hierarchien i.S. von Status und Autorität behindern stetige und kooperative Lernprozesse und sind abzuschaffen.
  • Inhalte, Zielstellungen und Methoden werden von allen Beteiligten mitbestimmt! Sie müssen daher auch für die Lernenden nachzuvollziehen sein und einer ständigen Reflexion unterworfen werden.
  • Forschungs-und Bildungszweige sollten miteinander arbeiten, nicht gegen einander konkurrieren.
  • Alle Ergebnisse kooperativer Prozesse (inklusive zu korrigierender Irrtümer) sind öffentliche miteinander zu teilen.
  • Die Zurechnung der Ergebnisse kooperativer Arbeit auf einzelne Individuen oder die Aneignung durch diese (durch sog. Autor*innen- oder Urheber*innenrechte) ist abzuschaffen! Es gibt nur noch OpenSource!

Ein plurales und offenes Bildungs- und Wissenschaftsverständnis in einer pluralen und offenen Gesellschaft

  • Bildung und Wissenschaft sind keine gegen andere Aspekte des gesellschaftlichen Lebens abgrenzbare Bereiche.
  • Entwicklungen in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens müssen durch Forschung und Bildung permanent aufgegriffen, und reflektiert werden.
  • Wissenschaftliche Prinzipien – der Mut zu „Versuch und Irrtum“, der hohe Stellenwert von Kritik, Zweifel und Reflexion – sind eine Voraussetzung jeder Teilhabe an der Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens.
  • Wissenschaft und Bildung können weder Wertgebunden noch Wertfrei sein! Die permanente Reflexion und Hinterfragung gesellschaftlicher Werte ist ebenso zentral, wie die Orientierung der Ziele wissenschaftlicher Forschung und die Verwendung ihrer Ergebnisse an offen zu legenden und damit erneut zur Diskussion zu stellenden Werten, auf die sich die frei vergesellschafteten Individuen vorläufig geeinigt haben.

…und wenn jetzt die Frage kommt: ‚Aber wer soll das denn alles bezahlen‘: Diese Frage ist schon heute grundsätzlich falsch gestellt und wird sich auf dem Weg zu den genannten Zielen endgültig erübrigen müssen. Wir leben schon jetzt in einer Gesellschaft, in der der stoffliche Reichtum an Gütern, Produktionskapazitäten und v.a. an prinzipiell frei verfügbarer Zeit soweit gewachsen ist, dass wir einen großen Teil der globalen Lebensmittelproduktion ebenso vernichten wie ressourcenintensive Güter, die den Zwängen einer stetig beschleunigten Überflussproduktion geopfert werden. Dennoch kann der Selbstzweck der Geldvermehrung nur noch durch immer höhere Staatsverschuldung zur Bankenrettung und zur Stabilisierung von Unternehmensgewinnen aufrecht erhalt werden – Geld, dass dann im Bildungs- und Sozialbereich eingespart werden muss. Gleichzeitig ist EU-weit die am besten ausgebildete Generation in ungekanntem Ausmaß von Massenarbeitslosigkeit und prekärer Beschäftigung betroffen. Dass die Nutzung des gesellschaftlichen Reichtums an Güter, Fähigkeiten und Zeit für die Gewährleistung von Bildung, Pflege und allgemeiner Teilhabe an der Gestaltung der sozialen und ökonomischen Beziehungen an der angeblichen ‚Unbezahlbarkeit‘ scheitern soll, ist schon heute ebenso verrückt, wie die gesamten Formen des kapitalistischen Lebens. „Geld ist ein Zeichen von Armut“ (Ian Banks). In einer Gesellschaft, in der der Reichtum so groß geworden ist wie in der unseren, sollten wir nicht mehr Fragen, wie wir das Geld und damit die Armut erhalten und vermehren können. Wir sollten anfangen die Frage zu stellen, wie wir den Reichtum an Gütern, Zeit und Fähigkeiten jenseits der Geld und Warenform nutzen können, um Allen ein Leben zu ermöglichen, in dem unbedingte Bildung ebenso selbstverständlich ist, wie die freie Nutzung ihrer Ergebnisse in individuell und gesellschaftlich sinnvollen Tätigkeiten.